Die Kinder aus Korntal
Mo 07.10. zu Gast: Regisseurin Julia Charakter, Kameramann Jonas Eckert sowie zwei Protagonistinnen aus dem Film.
Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Verein Pfunzkerle e.V. Tübingen
Dokumentarfilm
Deutschland 2023
Regie: Julia Charakter
Laufzeit: 95 min.
FSK ab 12
Zwangsarbeit, körperliche Züchtigung und sexualisierte Gewalt waren an der Tagesordnung in den seit den 1950er-Jahren existierenden Kinderheimen der pietistischen Brüdergemeinde in Korntal, BW. Im Jahr 2013 ging mit Detlev Zander eines dieser Heimkinder an die Öffentlichkeit und wagte es nach vielen Jahren des Schweigens, von den Qualen zu berichten, die er erlitt, seit er als Waisenkind in das Heim kam, wo er eigentlich christliche Nächstenliebe hätte erfahren müssen. Bis heute sind ihm mehr als 160 ehemalige Heimkinder gefolgt und haben von ihrem Schicksal berichtet; mehr als 80 TäterInnen wurden ermittelt.
Inzwischen weiß man nicht nur, welch elendes, von Angst und Schrecken gezeichnetes Leben die Kinder in Korntal erlitten, sondern auch, was die Brüdergemeinde unter „Aufklärung“ versteht. Ein Pfarrer spricht zwar von „großen Fehlern“, die einst gemacht wurden, dann jedoch verdächtig schnell von dem Wunsch nach notwendiger „Vergebung“. Auch der Aufarbeitungsprozess der Gemeinde stößt auf Widerstand und führt zu Kontroversen. Die Aussagen der Opfer werden angezweifelt. Zwei Korntaler Bürger sagen, sie hätten das „Thema“ gerne abgeschlossen und vergessen. Bis heute kämpfen die Opfer also um Aufklärung und Wiedergutmachung.
Der Film von Julia Charakter konzentriert sich auf Detlev Zander und fünf weitere Bewohner-Innen, die in den 1960er-Jahren in die Obhut des Heims überstellt wurden. Als Kinder aus „schlechten Verhältnissen“ wurden sie im Heim oft jahrzehntelang ständig an ihre Wertlosigkeit erinnert, während das Personal sie seelisch und sexuell missbrauchte und/oder als Arbeitskräfte nutzte. Bis heute hindern die Auswirkungen dieses Missbrauchs sie daran, ein normales Leben zu führen.
Der Film setzt die Betroffenen ins Zentrum und verzichtet auf jede Dramatisierung, schließlich ist das Geschehene drastisch genug. Wo Erfahrungsberichte zum Schutz der SprecherInnen nur als Tonaufzeichnung eingespielt werden, füllt eine schlichte Animation die Bild-Leerstellen. Wenn sich die heute Verantwortlichen äußern, bleibt die Kamera zurückhaltend und wertet nicht. Das ist auch nicht nötig, denn die unerträgliche Relativierung ihrer Aussagen sagt genug aus.
Mo 07.10. 18.00 Uhr (10,00 €)
im Anschluss: Filmgespräch mit den Gästen.
Moderation: Armin Krohe-Amann, Pfundskerle e.V.