Favoriten
Dokumentarfilm
Österreich 2024
Regie: Ruth Beckermann
Laufzeit: 118 min.
FSK ab 0
Was Neukölln für Berlin ist, ist der Bezirk Favoriten für Wien: ein bevölkerungsreicher, migrantisch geprägter Stadtteil, bunt und vielfältig, aber verrufen wegen seiner Kriminalitätsrate. Ein sozialer Brennpunkt. Hier befindet sich die größte Volksschule der Stadt. Die Jungs und Mädchen, die sie besuchen, stammen aus der Türkei, aus Syrien, Serbien, Rumänien oder Mazedonien und sprechen oft nur schlecht Deutsch. Gezielte bzw. individuelle Sprachförderung findet trotzdem nicht statt. So stehen die Kinder mit ihrem Sprachdefizit oft allein da und werden schon zu Beginn der Schullaufbahn zu Bildungsverlierern gestempelt. Die Klassenlehrerin Ilkay Idiskut, selbst mit türkischem Migrationshintergrund, muss den Kindern allein den gesamten Lehrstoff nahebringen, der für diese Altersstufe im Lehrplan steht. Nebenbei ist sie Sozialarbeiterin und kulturelle Vermittlerin. Dass die Sache trotz der erschwerten Voraussetzungen erstaunlich rund läuft, ist allein ihrem hohen Engagement, ihrem Interesse und ihrer wachen Empathie zu verdanken. Dabei gibt es hier zweifellos aufgeweckte Kinder, in denen Potenzial steckt. Doch ob sich dieses je adäquat entfalten kann, ist unter diesen Umständen fraglich.
Drei Jahre lang – von der zweiten bis zur vierten Klasse – hat die österreichische Regisseurin Ruth Beckermann die 28 Kinder in ihrem Schulalltag begleitet. Sie beobachtet sie im Klassenzimmer beim Lernen, in den Pausen beim Spielen und Streiten und bei ihren gelegentlichen Ausflügen.
Unter der heiteren Oberfläche des Mikrokosmos Klassenraum zeigt Beckermann die strukturellen Probleme und die Unterwerfungen eines maroden und zutiefst ungerechten Bildungssystems. Die Themen Unterfinanzierung und personelle Engpässe werden immer wieder aufgezeigt. Und doch: Beckermann zeigt Schule auch als wichtigen sozialen Ort. Für manche Kinder dürfte es die einzige Möglichkeit sein, moderne Rollenbilder zu erleben und Antworten auf ihre Fragen über die Welt zu bekommen.
Der Film ist ein Apell an die Politik, Bildung als Investition in die Zukunft endlich ernst zu nehmen.