Die Ermittlung
Im Rahmen der Jüdisch-Israelischen Filmtage 2024
Deutschland 2024
Regie: Rolf Peter Kahl
Besetzung: Rainer Bock, Clemens Schick, Bernhard Schütz, Tristan Seith, Christian Kaiser, Elisabeth Duda, Christiane Paul, Michael Schenk, Karl Markovics, Arno Frisch, …
Laufzeit: 240 min. (4 Std.!)
FSK ab 12
Als Grundlage für seinen Film diente dem Regisseur RP Kahl das gleichnamige Theaterstück von Peter Weiss (Uraufführung 1965). Diesem lagen seinerzeit unzählige persönliche Aufzeichnungen, Zeitungsartikel und Originalprotokolle des 20 Monate/183 Verhandlungstage währenden ersten Frankfurter Auschwitzprozesses von 1963-65 zugrunde, in dem zahlreiche Zeugen von ihren Erlebnissen berichteten und etliche Angeklagte zu den grauenvollen Anschuldigungen Stellung nahmen.
Die 240 Minuten des Films setzen sich ausschließlich aus Verhören zusammen. Die Aussagen der Zeugen gewähren ausführliche Einblicke die unvorstellbaren Alltagszustände im Todes- und Vernichtungslager. Rezitierend, meist stoisch und distanziert kühl geben die Schauspieler*innen die Original-Aussagen dieser Zeugen wieder. Nicht nur ihr Inhalt ist dabei verstörend, sondern auch, wie sachlich und ungerührt sie es tun, ebenso wie die sich unbeteiligt und unwissend gebenden Angeklagten, darunter Ex-Gestapo Mitarbeiter, SS-Schergen, frühere Aufseher und damalige Kommandanten. Sie stellen Massenvernichtungsaktionen als reinen Akt der Bürokratie dar, den es „abzuarbeiten“ galt und bringen damit die ganze unaussprechliche Perversion des Tötungslagers radikal auf den Punkt.
Dabei erlaubt sich Kahl auch kleine Abweichungen vom Text des Theaterstücks. Statt der auf neun reduzierten Zahl der Zeugen dort sind es im Film 28, die, obwohl namenlos, aus der anonymen Menge heraustreten und den Opfern ein Gesicht und eine Stimme geben. Das gibt ihnen mehr Gewicht. Gewicht, das sie verdienen. Ihre Informationen sind extrem schockierend und machen das unmenschliche Grauen des Ortes als Betrieb der Vernichtung klar und deutlich. Richter, Verteidiger und Ankläger führen das Publikum als Mittelsmänner durch das, was sich damals in Auschwitz über 20 Monate hinzog.
Nichts in Kahls Inszenierung ist zu laut, zu direkt oder auf Effekt aus. Für das unermessliche Leid der Lagerinsassen fand Peter Weiss und findet RP Kahl eine so klare und sachliche Sprache, dass die Aussagen nicht noch durch emotionale Ausbrüche untermauert werden mussten.
Kahls aktuelle Verfilmung bewahrt die Zeugnisse der in Auschwitz verübten Verbrechen auf eindrückliche Weise, so dass heutige Generationen sich das Thema neu erschließen können.
--mit Pause--