Architecton
Dokumentarfilm (OmdU, z.T. Schwarz-Weiß)
Deutschland/ Frankreich 2024
Regie: Victor Kossakovsky
Laufzeit: 101 min.
FSK ab 0
Während moderne Bauwerke in Kriegen und bei Naturkatastrophen in sich zusammenstürzen, erinnern antike Ruinen in den abgelegensten Gebieten der Welt an eine Stabilität und Ästhetik des Lebens, die verloren scheint. „Warum bauen wir (also heute) für nur etwa 40 Jahre, wenn die Alten wussten, wie man für Jahrtausende baut?“ – Dieser Frage geht Regisseur Victor Kossakovsky im Gespräch mit dem italienischen Architekten Michelle De Lucchi (73), einem desillusionierten Repräsentanten unserer Gegenwart, nach. Architektur, sagt dieser, sei nicht nur die Gestaltung von Gebäuden, sie sei vielmehr eine Raumkunst, die die Spielräume unserer Handlungen, unsere Politik und unser Sein bestimmt, eine Möglichkeit, darüber nachzudenken, wie wir leben. Denn wenn wir etwas gestalten, gestalten wir das Verhalten der Menschen. In überwältigenden Naturaufnahmen folgen die Zuschauer*innen dem Lebenszyklus von Steinen, der in der Natur beginnt und auf der Müllhalde endet.
Kossakovskys epische, philosophische und poetische Meditation über Architektur ist eine Reise, die uns von den Tempelruinen von Baalbek im Libanon aus dem ersten Jahrhundert n.Chr. bis zu zerstörten Städten in der Türkei nach jenem verheerenden Erdbeben Anfang 2023 führt. Und er folgt Michele De Lucchi, dem idealistischen Architekten, der das Schöne seiner Profession zu schätzen weiß, aber daran verzweifelt, dass er immer mehr angehalten wird, seelenlose Betonklötze zu entwerfen: Bauten, die die Zeit nicht überdauern, die damit nicht nachhaltig sind, die von einer Welt zeugen, in der am Ende alles weggeworfen wird. Denn die Bauten der Moderne sind vergänglicher als die Menschen, die sie konstruiert haben. Der Traum von Schönheit ist einem Streben nach Nutzwert und Funktionalität gewichen. De Lucchi würde stattdessen lieber Gebäude bauen, die Bestand haben – wie die Ruinen der Antike.
Der Film überzeugt vor allem mit seiner Bildgewalt (erst nach einer Viertelstunde wird zum ersten Mal gesprochen). Eindringlich stellt er die beständige Macht des Steins der unerbittlichen Bearbeitung durch den Menschen gegenüber. Kossakovsky taucht in eine Welt ein, die vergänglicher ist denn je. Zu den Bildern gibt es Musik von Evgueni Galperine, die an die Klänge von „Kooyanisqatsi“ erinnert.
Das alles geht über Architektur hinaus und entführt uns in die Welt der Felsen und Steine. Eine beeindruckende visuelle Meditation.