Die Unschuld

Japan 2023 (in OmdU)
Regie: Hirokazu Kore-eda („Shoplifters“)
Besetzung: Eita Nagayama, Sakura Ando, Soya Kurokawa, Yuko Tanaka, Ninata Hiragi, …
Laufzeit: 127 min.
FSK ab 12

In einer japanischen Kleinstadt. Saori, alleinerziehende Mutter des 12-jährigen Minato, wundert sich über dessen verändertes und zum Teil rätselhaftes Verhalten. Mal schneidet er sich die Haare ab, mal kommt er mit nur einem Schuh nach Hause. Über eine blutende Nase will er überhaupt nicht sprechen. Saori spricht in der Schule vor. Doch dort erfährt sie von Klassenlehrer Hori lediglich, dass Minato seine Mitschüler drangsaliert und insbesondere den gleichaltrigen Yori mobbt. „Nur“ ein Streit zwischen Kindern also? Die Mutter ist skeptisch. Sie vermutet vielmehr, dass Minato vom Lehrer misshandelt wird… 

Im ersten Teil des Films, in dem die Vorkommnisse aus der Perspektive der Mutter erzählt und gesehen werden, werden Andeutungen gemacht, Verdächtigungen ausgesprochen. Im zweiten Teil werden die Ereignisse aus den Augen des Lehrers geschildert. Und plötzlich wirkt vieles ganz anders. Erst im letzten Teil, in dem aus der Sicht des Jungen erzählt wird, offenbart sich die Wahrheit, lösen sich die Rätsel auf. Mit jeder Perspektive kommt also eine Ebene hinzu, durch die die wechselseitige Abhängigkeit der Menschen und ihre verletzliche Existenz deutlich wird. Dabei wirkt jeder Charakter so, als ob er ein Geheimnis hat und irgendetwas bleibt ständig im Verborgenen. Als Zuschauender ist man mit dem Dilemma konfrontiert, zu wem man „halten“ soll. Dabei merkt man, wie leicht man sich angesichts kleiner, missverständlicher Indizien, aber auch der gesellschaftlichen Konventionen eine bestimmte Wahrheit zurechtdenkt. Schlussendlich wird deutlich, welch fatale Folgen voreilige Schlüsse haben können. Und darum geht es Regisseur Hirokazu Kore-eda offensichtlich in seinem neuen Film, für den er nach zwei Drehs im Ausland wieder in seine Heimat Japan zurückgekehrt ist.